Denkmalpreis 1988

Bürgerhaus in Marktbreit

Seit einer Generation stand das Haus im Marktbreiter Winzerhof schon leer. Seit Jahren konnte man es nicht mehr durch die Haustüre betreten, weil die Außentreppe bei Straßenarbeiten weggerissen worden war. „Auf Abbruch“ hatte die Familie Stadelmann, die nebenan eine Metzgerei besitzt, das Haus erworben. Nur die Ortsgruppe des Frankenbundes setzte sich für den Erhalt ein, als es Heimatforscher als Werk Hans Kesenbrods (1537–1616) erkannten, des Erbauers des Marktbreiter Rathauses.

Trotz ihrer ursprünglichen Vorbehalte gegen eine Restaurierung willigten die Eigentümer in Untersuchungen zur objektiven Bestandserfassung ein. Sie brachten eine Überraschung: Die Substanz des Hauses war viel besser als angenommen. Überdies stellte man fest, dass es sich um ein höchst wertvolles Denkmal handelte. Fast die ganze originale Substanz einschließlich der alten Raumaufteilung, Wände, einer gewendelten Treppe und eines wunderschönen Laubengangs auf der Südostseite, war erhalten. Im Obergeschoss fand man die Jahreszahl des Erbauungsjahres: 1603. Die zum Bau verwendeten Bäume standen noch im Sommer 1602 im Wald, ergab die Untersuchung. Sogar die ursprünglichen Farben – es dominierte kräftiges Rot – waren noch festzustellen. Im Laubengang waren die Balken mit Goldocker gestrichen; eine Farbe, die sich um 1600 nur wohlhabende Bürger leisteten. Im Erdgeschoss gleicht das Haus exakt dem einen Kilometer entfernt stehenden, 1588 erbauten Segnitzer Rathaus; ebenfalls ein Werk Kesenbrods.

Die Eigentümerfamilie willigte nun in eine denkmalgerechte Sanierung ein und machte sich die Ziele der Denkmalpflege mit zunehmendem Engagement mehr und mehr selbst zu eigen. Erstmals in der Region wurde hier an einem Bürgerhaus eine bis ins Detail gehende, befundgetreue Restaurierung vorgenommen, wobei neu entwickelte Hilfen wie „Raumbuch“ , „Sanierungsdrehbuch“ und ein spezielles Orientierungssystem die Arbeit der Handwerker koordinierten und unterstützten. Durch die Art der Restaurierung wurden den Handwerkern ungewohnte Fertigkeiten abverlangt. So ergänzte man erstmals im weiten Umkreis die Gefache der Holzkonstruktion in originaler Lehmbauweise.

Als bewundertes Schmuckstück dominiert das Haus nun den zweitgrößten der drei Plätze in der Marktbreiter Altstadt. Alljährlich steht es im Mittelpunkt des Weinfestes im Winzerhof.
(Text: Hans Michael Hensel)

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